Der 9. November ist der deutsche Schicksalstag. Gleich mehrere denkwürdige Ereignisse jähren sich seit 1918 an diesem Tag. Gemeinsam mit rund 120 Schülern des Georg-Kerschensteiner-Berufsbildungszentrums diskutierten die Landtagsabgeordneten Bernhard Braun (Grüne), Marion Schneid (CDU) und Anke Simon (SPD) über die Auswirkungen von Nationalismus auf die Demokratie.
Schüler Jan stellte gleich zu Beginn der Veranstaltung mit Blick auf den Gedenktag die schwerste Frage: „Wo hört Patriotismus auf und wo fängt Nationalismus an?“ Eine konkrete Antwort darauf hatte keiner der Abgeordneten. Die Grenzen seien fließend, waren sich die Vertreter von CDU, SPD und Grünen einig. Allerdings gehe es darum, andere und auch Andersdenkende zu akzeptieren, befand Anke Simon. Nationalgefühle, gerade im Sport, seien normal, meinte Bernhard Braun. Schlimm werde es aber, wenn diese Gefühle sich organisiert gegen andere richten. „Wenn Staaten das so machen, dann bedeutet es in der Konsequenz Krieg.“
Auch deshalb hatte sich Organisator Hans-Peter Bopp ein „nationales“ Thema für die Veranstaltung ausgedacht. Unter der Überschrift „Deutsche über alles!? Wie viel Nationalismus verträgt die Demokratie?“ kamen Schüler und Politiker ins moderierte Gespräch. Das hatte schnell die Politik, Wähler und auch das Personal der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) zum Mittelpunkt.
Wie mit AfD-Wählern umgehen?
„Wie kann man dem begegnen, dass bisherige Nichtwähler jetzt die AfD wählen?“ Immerhin würden diese Leute nun beginnen, sich für Politik zu interessieren, und es seien oft genug Menschen aus Gebieten mit strukturellen Problemen, wollte ein Schüler wissen. Ganz so einfach sei es nicht, waren sich die Politikvertreter erneut einig. Zum einen seien einige Fehler schon bei der Wiedervereinigung entstanden, bei der im Osten ausschließlich die Wirtschaft im Vordergrund gestanden habe. „Das kulturelle Zusammenwachsen wurde vernachlässigt“, meinte Anke Simon. Im Westen sei der Zulauf eine Fehlentwicklung durch die Hartz IV-Gesetzgebung. „Die war vor 20 Jahren ja noch richtig, aber jetzt müssen wir hier nacharbeiten.“
Marion Schneid sagte, dass viele AfD-Wähler ehemalige Stammwähler ihrer Partei waren, die sich vom Kurswechsel hin zur sozialen Mitte enttäuscht zeigten. „Wir hatten einen Wandel im Wertebild, und diese Menschen haben den Wandel, teilweise aus Angst vor Veränderung, nicht mitgemacht.“ Bernhard Braun setzte hingegen auf viele Gespräche. „Denn die AfD bietet keine Lösungen. Von Rassismus werden keine Brücken saniert.“ Das müsse man den Menschen in Gesprächen deutlich machen. Er weiß allerdings auch, dass hier genau das Problem liege. „Die AfD-Wählerschaft befindet sich, genau wie ich auch, in einer Blase.“ Große Sorge bereite ihm allerdings die Tatsache, dass zahlreiche AfD-Vertreter im Parlament Lehrer seien. „So jemanden darf man doch nicht auf Schüler loslassen.“
Kein neuer Feiertag
Immerhin: Die Schüler des Berufsbildungszentrums seien dafür gerüstet, war sich Carola Straus aus der Schulleitung sicher. „Es ist wichtig, dass man sich der Diskussion stellt.“ Diskussionen, wie sie die Gemeinschaft der Schulen in jedem Jahr zum 9. November organisiert. Wichtige Diskussionen, befanden die drei Politiker, die sich deshalb auch gegen einen Feiertag an diesem Datum aussprachen. „Dafür ist der Tag zu vielschichtig belegt“, erklärte Marion Schneid und erinnerte etwa an die Reichspogromnacht, die Novemberrevolution von 1918 oder den Tag des Mauerfalls vor 30 Jahren. „Da würden sich auf Gedenkveranstaltungen immer nur die gleichen Leute treffen.“ Schüler seien dabei selten.
Das passende Schlusswort fand Bernhard Braun: „Die Frage: Was ist deutsch? ist nicht zielführend.“ Die Mischung und die Einwanderung haben Deutschland immer wieder stark gemacht. „Unsere Kultur war immer sehr offen. Das müssen wir uns bewahren.“
Download: Rheinpfalz, 09.11.2019: Rassismus baut keine Brücken